Ein Ausstellungsprojekt des BBK Hildesheim zum 1000-jährigen Jubiläum der Michaeliskirche.
»Nun sag, wie hast du’s mit der Religion?« fragt das Gretchen den intellektuellen Zweifler Faust in Goethes Drama und diese Frage ist zum Inbegriff der Suche nach dem Kern einer jeden Problematik geworden.
Die heutige bildende Kunst in der westlichen Welt ist ohne den Hintergrund christlicher Darstellungsformen nicht denkbar. In dem Projekt »Gretchenfragen oder Der Preis des Göttlichen« treffen Glaube und Hinterfragen im Goethe’schen Sinne wieder aufeinander. Das Konzept erfordert eine Auseinandersetzung mit der tausendjährigen Geschichte des Bauwerkes selbst wie auch mit der sakralen Tradition der Kunst insgesamt. Wenngleich noch heute die Kirche immer wieder als Auftraggeber für die Erstellung von Kunstwerken in Erscheinung tritt, ist der Kirchenraum seit der Errichtung säkularer Kunststätten nicht mehr vorrangiger Begegnungsort der Menschen mit Kunst. Neben diesem religiösen Ursprung der Kunst bestehen zudem zahlreiche soziale Aufgaben, die beide Institutionen miteinander verbinden. Während es seit langem Ziel der Kirche ist, sich um moralisch-ethische Fragestellungen zu bemühen, eine Gemeinschaft zu etablieren und die Gesellschaft durch Fragen und mögliche Antworten zusammenzuhalten, hat sich die Kunst von ihrem ursprünglichen Auftraggeber so weit entfernt, dass sie diese Aufgaben inzwischen selbst zu erfüllen trachtet. Brauchen wir Religion noch immer als normativ-moralische Instanz oder haben wir uns vom Prinzip des Göttlichen soweit emanzipiert, dass wir eigenständig in der Lage sind, ethische Grundsätze zu formulieren? Das sind die Gretchenfragen der »Gretchenfragen« …
In unserer kapitalistisch organisierten Warenwelt verstehen wir unter »Preis« zunächst die geldwerte Entsprechung eines Gegenstandes oder einer Leistung. In der christlichen Religion hingegen bedeutet »Preis« ursprünglich die höchste Form der Wertschätzung im Sinne von Lobpreisung, doch hat das Göttliche zur Zeit des Ablasshandels, der in der Reformation das Entstehen der evangelisch-lutherischen Kirche nach sich zog, einen konkreten Preis gehabt. Wer schwer gesündigt hatte, konnte sich Gott mit dem Kauf eines Ablassbriefes erneut gewogen machen und die heutige Boulevardpresse legt die Vermutung nahe, dass Reichtum noch immer eine Möglichkeit ist, frei von moralischen Beschränkungen zu leben.
Hat die Hinwendung zum Göttlichen auch heute ihren Preis?