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Back to the Roots – RPM

Ausstellung des BBK Hildesheim in Zusammenarbeit mit dem Roemer- und Pelizaeus-Museum vom 22. April bis 20. Mai 2007.

Bis 2002 fanden die Jahresausstellungen des BBK Hildesheim im Roemer- und Pelizaeus-Museum statt. Jetzt haben der BBK und das Roemer- und Pelizaeus-Museum Hildesheim eine neue, projektbezogene Kooperation begonnen: Von April bis Mai zeigt der BBK im Museum Arbeiten, die auf Exponate der Sammlung des Museums Bezug nehmen: »Back to the Roots« bezieht sich zum einen auf die Auseinandersetzung der Künstler mit Kunstwerken vergangener Kulturen und ist zum anderen Verweis auf Zeiten ständiger BBK-Präsenz im Museum. 15 Künstlerinnen und Künstler werden mit eigenen Bildern, Objekten, Skulpturen und Fotografien in den Ausstellungen einen ganz persönlichen Zugang zu den einzelnen Exponaten präsentieren.

 

Back to the Roots – eine Gegenüberstellung

Der Titel der Ausstellung lässt zunächst vermuten, die Wurzeln der Kunst, mit- hin der hier gezeigten, lägen im alten Ägypten. Dies ist, bedenkt man nicht zuletzt den abendländisch-christlichen Kontext, in dem die meisten der hier ausgestellten Arbeiten stehen, eine Vermutung, die leicht in die Irre führt.

Auch die Bezugnahme auf den Kult im Allgemeinen wird der heute doch zumeist religionsfernen künstlerischen Praxis nicht gerecht. Es stehen sich hier also auf den zweiten Blick zwei einander ursächlich Fremde gegenüber:

Zu pharaonischer Zeit war der Künstler ein Diener und Erfüllungsgehilfe religiösen und weltlichen Machtanspruches. Er schuf im Rahmen einer sich stetig entwickelnden Tradition die Gegenstände, die für die Rituale des Lebens und insbesondere des Sterbens vonnöten waren. Hatten die Schöpfer der von uns so bestaunten Sarkophage und Statuen überhaupt ein Selbstverständnis als Künstler oder waren sie vielmehr Handwerker? Heute ist es die Aufgabe der Kunst und der Künstler, Lebensweisen, Machtgefüge und, wo es sich aufdrängt, auch die Prozeduren des Sterbens, im besten Falle kritisch, zu hinterfragen. Ein wesentliches Mittel der Hinterfragung ist immer die Gegenüberstellung und damit wären wir auch schon mitten in der Ausstellung und bei den Bezugnehmenden und sich abgrenzenden Arbeiten der 15 Hildesheimer Künstler, die sich im vornehmsten Ausstellungshaus ihrer Stadt – das eben einen ägyptologischen Schwerpunkt und keinen der modernen Kunst hat – neben die vermeintlichen Wurzeln stellen und so mindestens zu einem Teil feststellen, dass zwar die visuelle Erscheinung eine ähnliche sein mag – die Quelle jedoch eine vollkommen andere ist.

Da wird der Archetyp des Sarkophages bemüht – nicht jedoch um den Leichnam des verstorbenen Potentaten vor der Welt zu schützen und dabei in seiner Pracht noch ein endgültig letztes Mal zu preisen; vielmehr fühlt man sich – und so wird das Wort heute auch gebraucht – an den Sarkophag erinnert, der seit 1986 die Welt vor den Gefahren des explodierten Reaktors von Tschernobyl schützen soll. An einer anderen Stelle werden naturalistische und moderne Darstellungsmethoden auf ihren eben durchaus nicht immer nur visuellen Gehalt überprüft. Digitale Bilderfassungsmethoden und die damit automatisch einhergehende Reduktion zu pointieren ist eben erst dann denkbar, wenn die naturalistischen Darstellungsmöglichkeiten sich bis zur fotograüfischen Perfektion entwickelt haben und plötzlich die Frage nach dem Abbild von der Frage nach dem Eindruck überrundet wird. In diesem Falle macht sich der Mensch einen Eindruck davon, welchen Eindruck sich wohl die Maschine von ihm macht.

In einem anderen Raum wird ein Abgleich hergestellt zwischen zur Grab- beigabe würdigen Gegenständen heute und damals: Scheingefäße vs. Scheingeräte. Auch hier wird Kult offengelegt — in einer gänzlich anderen Weise als dieses vor 4000 Jahren der Fall war, als nämlich die Fetische nicht der mobilen Kommunikation im Hier und Heute dienten, dem permanenten in-der-Schwebe-halten von Verabredungen und Verbindlichkeiten, sondern der Ausstattung des Verstorbenen in der Ewigkeit. Schließlich steht auch die nüchterne Notation der »Abgänge« in den zum Malgrund mutierten Aufzeichnungen aus einer Irrenanstalt in einem Verhältnis zum Kult der kom- mentierten Arbeit, das uns nachdenklich machen kann. Auf der einen Seite war der Totenkult ein zentrales Moment in der religiösen und schöpferischen Tätigkeit der Menschen und auf der anderen Seite dienen die diesbezüglichen Aufzeichnungen nur noch als Hintergrund zu ganz anderen, nämlich ästhetischen Erwägungen.

Gemeinsam ist den meisten der aktuellen künstlerischen Arbeiten, dass sie sich ein wesentlich skeptischeres Bild von der Welt machen als es die Ägypter taten und dass so der Zweifel als ein wesentliches Gefühl des modernen Menschen offenbart wird.

Wenn wir uns im RPM nicht zuletzt auch in einem Museum des Totenkultes befinden, dann muss schließlich auch die Frage erlaubt sein, wie es wohl um die ägyptische Kunst bestellt wäre, wenn ebendiese nicht in den vornehmsten Tempeln, sondern ihrerseits nur beigeordnet in anderen Zusammenhängen aufgehoben worden wäre. Wenn also die ägyptische Kunst in ihrer Zeit die gleiche Würdigung erfahren hätte wie unsere Kunst in unserer Zeit. In diesem Falle als Grabbeigabe?

All das soll uns aber nicht zu der Hoffnung veranlassen, die Kunst möge fürderhin wieder mehr in die Hände der Mächtigen gelegt werden, sondern im Gegenteil zu der Bewunderung für jedwede freie künstlerische Äusserung, die uns in die Lage versetzt, Bezüge herzustellen zwischen der »guten alten Zeit« und der vielfach unbequemen, schwer verständlichen und in ihrer Erscheinung irritierend vielfältigen, nicht umsonst so genannten freien Kunst.

Es gilt, um es mit Duchamp zu sagen, die Fragen um ihrer selbst willen zu lieben. (Lydia Wrobel)